Bundesgerichtshof: Kein Summierungseffekt in einem Formularmietvertrag über Gewerberäume bei Kumulation von bedarfsabhängigen Reparaturen und bezugsfertiger Rückgabe.
Gewerbemietrecht – BGB §§ 307 I, 535 I 2
Wird in einem Formularmietvertrag über gewerblich genutzte Räume der Mieter neben der bedarfsabhängigen Vornahme von Schönheitsreparaturen und auch dazu verpflichtet, die Räume bei Beendigung des Mietverhältnisses in einem „bezugsfertigen Zustand“ zurückzugeben, ergibt sich daraus kein Summierungseffekt, der zur Unwirksamkeit der beiden Klauseln führt. BGH, Urteil vom 12.03.2014 – XII ZR 108/13
BGH, Urteil vom 12.03.2014 – XII ZR 108/13 (OLG Köln), BeckRS 2014, 06957
Anmerkung von Wolf-Rüdiger Bub und Christian von der Osten
Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem inzwischen beendeten Mietverhältnis. Die Klägerin mietete von der Beklagten Geschäftsräume in einem Gewerbeobjekt. In dem von der Beklagten gestellten Formularvertrag ist u.a. vereinbart, dass das Mietobjekt renoviert übergeben wird, die Mieterin Schönheitsreparaturen in angemessenen Turnus auszuführen und das Mietobjekt nach Ende des Mietverhältnisses in bezugsfertigem Zustand zurückzugeben hat. Die Beklagte zog aus, ohne Schönheitsreparaturen durchgeführt zu haben.
Nach Auffassung des BGH steht der Klägerin ein Schadensersatzanspruch wegen nicht durchgeführter Schönheitsreparaturen zu. Die Verpflichtung zur Durchführung der Schönheitsreparaturen sei im Mietvertrag wirksam auf die Klägerin übertragen worden und scheitere nicht an den vom BGH entwickelten Grundsätzen zu sog. „Fristenklauseln“. Zwar sollte die Klägerin zu einer regelmäßigen Renovierung der Mieträume verpflichtet sein, die Mietvertragsparteien wollten die Erforderlichkeit von Schönheitsreparaturen jedoch zusätzlich von einem tatsächlich vorhandenen Bedarf abhängig machen. Die im Mietvertrag zusätzlich enthaltene Regelung, wonach die Parteien im Hinblick auf das Gewerbe des Mieters davon ausgehen, alle drei Jahre könne Renovierungsbedarf eintreten, sei nicht als zwingend einzuhaltende Frist zu werten, weshalb es sich nicht um eine starre Fristenklausel handele.
Die Beklagte werde durch die Übertragung der Schönheitsreparaturen auch nicht deshalb unangemessen benachteiligt, weil sie zusätzlich verpflichtet wird, bei Beendigung des Mietverhältnisses das Mietobjekt in renoviertem Zustand zurückzugeben (unwirksame Endrenovierungsklausel). Nach dem Wortlaut der Vertragsklausel schulde der Mieter die Rückgabe der Mieträume nur in bezugsfertigem Zustand. Um diese Verpflichtung zu erfüllen, müsse er die Mieträume – jedenfalls grundsätzlich – nicht umfassend renovieren. Ausreichend sei es vielmehr, wenn er die Mieträume in einem Erhaltungszustand zurückgibt, die es dem Vermieter ermöglicht, einem neuen Mieter die Räume in einem bezugsgeeigneten und vertragsgemäßen Zustand zu überlassen. Nur wenn die Räume diesen Anforderungen nicht genügen, etwa weil der Mieter während der Mietzeit keine Schönheitsreparaturen durchgeführt hat, die letzten Schönheitsreparaturen lange zurückliegen oder sich die Mieträume aufgrund übermäßig starker Abnutzung trotz durchgeführter Schönheitsreparaturen nicht in einem zur Weitervermietung geeigneten Zustand befinden, hat der Mieter bei seinem Auszug Renovierungsarbeiten zu erbringen. Dies folgt jedoch bereits aus der Verpflichtung des Mieters, Schönheitsreparaturen durchzuführen, wenn es der Erhaltungszustand der Mieträume erfordert. Eine zusätzliche Belastung erfährt der Mieter durch die Regelung, die Mieträume in bezugsfertigem Zustand zurückzugeben, damit nicht. Da er vorliegend allerdings überhaupt keine Schönheitsreparaturen durchgeführt hatte – weder während noch am Ende des Mietverhältnisses –, sich die Wände im Zeitpunkt der Rückgabe an die Beklagte jedenfalls hinsichtlich des Anstrichs in einem renovierungsbedürftigen Zustand befanden und er die geforderten Leistungen nicht erbrachte, war er dem Vermieter zum Schadensersatz verpflichtet.
Praxishinweis
Nach der Rechtsprechung des BGH können zwei jeweils für sich genommen unbedenkliche Klauseln den im Leitsatz in Bezug genommenen „Summierungseffekt“ haben und somit in ihrer Gesamtheit zu einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders führen (BGH, Beschluss vom 02.12.1992 – VIII ARZ 5/92, NJW 1993, 532). Der Summierungseffekt kann auch dann eintreten, wenn eine Klausel schon für sich gesehen unwirksam ist und eine „Summierung“ der den Mieter belastenden Pflichten im Ergebnis gar nicht eintreten kann, da der Mieter aufgrund des Transparenzgebotes die Wirksamkeit der Regelungen beurteilen können muss und die Wirksamkeit der einen Klausel sich nicht danach richten kann, ob die andere (un)wirksam ist (BGH, Urteil vom 14.5.2003 – VIII ZR 308/02, NZM 2003, 594).
Vorliegend griff der Summierungseffekt allerdings nicht ein, da beide Klauseln wirksam und auch in ihrer Gesamtheit für den Mieter nicht übermäßig belastend waren. Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH sind „starre“ Fristenklauseln unwirksam, weil sie den Mieter mit Renovierungspflichten belasten, die über den tatsächlichen Renovierungsbedarf hinausgehen und dem Mieter eine höhere Instandhaltungsverpflichtung auferlegen, als ihn ohne eine solche vertragliche Klausel treffen würde (BGH, Urteil vom 23.6.2004 – VIIII ZR 361/03, NJW 2004, 2586). Ausnahmen lässt der VIII. Zivilsenat nur für solche Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu, die eine Renovierung innerhalb bestimmter Fristen zwar für den Regelfall vorsehen, diese aber vom tatsächlichen Erhaltungszustand der Mieträume abhängig machen, etwa durch die Formulierung „im Allgemeinen“ (Urteil vom 13.7.2005 – VIII ZR 35/104, NJW 2005, 3416; Urteil vom 26.9. 2007 – VIIII ZR 143/06, NJW 2007, 3622). Knüpft die Vertragsklausel die Renovierungspflicht des Mieters dagegen allein an feste zeitliche Grenzen und führt die Auslegung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen dazu, dass der Erhaltungszustand für die Verpflichtung keine Rolle spielt, führt dies regelmäßig zur Unwirksamkeit der Klausel und damit auch der Überbürdung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter insgesamt (BGH Urteil vom 5.4.2006 – VIII ZR 178/05, NJW 2006, 1728). Dieser Rechtsprechung hat sich der XII. Senat für den Bereich der Gewerberaummiete angeschlossen (Urteil vom 8.10.2008, NJW 2008, 3772). Vorliegend handelte es sich allerdings um eine „weiche“ Fristenklausel.
Unwirksam sind nach der Rechtsprechung des BGH auch Endrenovierungsklauseln (BGH, Urteil vom 3.6.1998 – VIII ZR 317/97, NJW 1998, 3114 z. Wohnraummiete; Urteil vom 6.4.2005 – XII ZR 308/02, NJW 2005, 2006 z. Gewerberaummiete). Die in Formularmietverträgen enthaltene Verpflichtung des Mieters, neben der Durchführung der Schönheitsreparaturen die Mietsache bei Beendigung des Mietverhältnisses renoviert zurückzugeben, entfernt sich nämlich noch weiter vom gesetzlichen Leitbild der Erhaltungspflicht des Vermieters und führt zu einer zusätzlichen Verschärfung zu Lasten des Mieters. Er muss in diesen Fällen eine Endrenovierung unabhängig davon vornehmen, wann die letzte Schönheitsreparatur erfolgt ist und ob ein Bedarf hierfür besteht. Dies hat zur Folge, dass sowohl die Endrenovierungsklausel als auch die Übertragung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter an sich unwirksam sind (BGH, Urteil vom 3.6.1998 – VIII ZR 317/97, NJW 1998, 3114). Anderes gilt für Klauseln die – wie vorliegend – lediglich die „Bezugsfertigkeit“ der übergebenen Wohnung fordern (BGH, Urteil vom 13.1.1982 – VIII ZR 186/80, ZMR 1982, 180). Sie sind wirksam.
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub, Rechtsanwalt Christian von der Osten, Rechtsanwälte Bub, Gauweiler & Partner, München