LG Berlin: Wann ist eine Räumungsfrist unter die Bedingung der Leistung der Nutzugsentschädigung zu stellen?
BGB § 573 II Nr. 1; ZPO § 721
Es ist gemäß § 721 Abs. 1 ZPO allenfalls dann gerechtfertigt, die Räumungsfristgewährung unter die Bedingung der Leistung der Nutzungsentschädigung zu stellen, wenn zum Zeitpunkt der Bewilligungsentscheidung die berechtigte Besorgnis der unterbleibenden oder jedenfalls nicht rechtzeitigen oder vollständigen Leistung der Nutzungsentschädigung durch den Räumungsschuldner besteht.
LG Berlin, Beschluss vom 12.05.2020 – 67 T 38/20, BeckRS 2020, 8395
Sachverhalt
Die Klägerin erwirkte ein Räumungsurteil gegen ihren Wohnraummieter; bezüglich der Räumungsfrist begehrt sie, dass diese unter der Bedingung der vollständig und pünktlichen Zahlung der Nutzungsentschädigung zu gewähren sei. Dem kam das Amtsgericht nicht nach und räumte dem Beklagten eine unbedingte sechsmonatige Räumungsfrist ein. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.
Entscheidung
Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg.
Es bedürfe keiner abschließenden Entscheidung der Kammer, ob § 721 ZPO bedingungsfeindlich ausgestaltet sei und bereits deshalb eine Räumungsfristgewährung unter der von der Beschwerde begehrten Bedingung ausscheiden müsse. Denn eine unter die Bedingung der Leistung der Nutzungsentschädigung gestellte Räumungsfristgewährung sei allenfalls dann gerechtfertigt, wenn zum Zeitpunkt der Bewilligungsentscheidung die berechtigte Besorgnis der unterbleibenden oder jedenfalls nicht rechtzeitigen oder vollständigen Leistung der Nutzungsentschädigung durch den Räumungsschuldner bestehe. An diesen Voraussetzungen fehle es hier, auch wenn die Parteien in der Vergangenheit über die Höhe der von der Beklagten zu entrichtenden (Miet-)Zahlungen gestritten haben sollten. Es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Beklagte an ihrer bisherigen Rechtsauffassung nach ihrer Verurteilung zur Räumung auch zukünftig festhalten werde. Allein deshalb habe es das Amtsgericht zu Recht unterlassen, die Gewährung der Räumungsfrist unter die Bedingung der rechtzeitigen und vollständigen Zahlung der Nutzungsentschädigung zu stellen.
Davon abgesehen sei eine lediglich bedingte Räumungsfristbewilligung bei einem Streit der Parteien über den Bedingungseintritt wegen der Schwierigkeiten der damit verbundenen Nachweisführung nicht nur in hohem Maße unpraktikabel. Sie würde dem Räumungsschuldner den Räumungsschutz zudem bereits im Falle der erstmaligen unvollständigen oder unpünktlichen Leistung der Nutzungsentschädigung entziehen, selbst wenn diese auf Gründen beruhe, die von ihm nicht persönlich zu vertreten seien. Ein lediglich auf der Garantiehaftung des Mieters beruhender Zahlungsausfall berechtige gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB aber noch nicht einmal zur ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses. Einer darauf beruhenden Versagung der Räumungsfrist stünden erst Recht der Sinn und Zweck des § 721 ZPO entgegen, der in erster Linie dem Schutz des Räumungsschuldners vor Obdachlosigkeit diene. Dieser Schutz könne auch einem zahlungssäumigen Räumungsschuldner nur in seltenen Ausnahmefällen versagt werden. Zu diesen zähle die einmalig unterbleibende, unvollständige oder unpünktliche Leistung der Nutzungsentschädigung jedenfalls dann nicht, wenn sie nicht auf einem persönlichen Verschulden des Räumungsschuldners beruhe. Auch aus diesem Grund habe es das Amtsgericht im Ergebnis zutreffend unterlassen, die Gewährung der Räumungsfrist mit der vollständigen und pünktlichen Entrichtung der Nutzungsentschädigung zu verknüpfen.