Eigenbedarfskündigung
Die Eigenbedarfskündigung stellt den wichtigsten Fall der verschuldensunabhängigen ordentlichen Kündigung dar. Sie ist der häufigste Grund für die ordentliche Beendigung eines Wohnraummietvertrages. Die Kündigung wegen Eigenbedarf gilt dennoch als schwierigste der Kündigungen. Grund hierfür ist, dass die Eigenbedarfskündigung besonders und damit auch besonders sorgfältig begründet werden und insbesondere auch die Angabe enthalten muss, für wen genau der Eigenbedarf geltend gemacht wird.
Besonderheit der Kündigung wegen Eigenbedarfs ist ferner, dass Gründe für den Eigenbedarf, die in dem Kündigungsschreiben nicht explizit genannt werden, aber beim Ausspruch der Kündigung schon vorlagen, später im Prozess um den Eigenbedarf nicht mehr nachgeschoben, d.h. nicht mehr geltend gemacht werden können. Ein Austausch der Gründe im Nachhinein ist nicht möglich, lediglich eine Ergänzung bzw. Konkretisierung ist denkbar, wenn die Gründe dem Grunde nach schon im Kündigungsschreiben angegeben waren. Ansonsten ist der kündigende Vermieter mit den in der Eigenbedarfskündigung nicht genannten Gründen im späteren Prozess präkludiert, d.h. ausgeschlossen. Aus diesem Grund bedarf die Begründung, Formulierung und Fertigung einer Kündigung wegen Eigenbedarfs großer Sorgfalt.
Der Kündigung vorausgehen sollte daher eine ausführliche Erörterung des Eigenbedarfs und seiner Gründe. In der Eigenbedarfskündigung sollte dann genau genannt werden, für wen die Wohnung benötigt wird, ab wann sie benötigt wird, weshalb sie benötigt wird. Hier spielen private, persönliche, wirtschaftliche, finanzielle, ja auch soziale und kulturelle Gründe eine große Rolle und sollten auch im Kündigungsschreiben auf- und ausgeführt werden. Begründet werden kann die Eigenbedarfskündigung auch mit dem Eigenbedarf für Familienangehörige. Im juristischen Sinne können dies die Eltern, Kinder oder Geschwister des kündigenden Vermieters sein. Grundsätzlich ist bei einer Eigenbedarfskündigung auf die Interessenlage des Vermieters abzustellen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Interessen des Vermieters am Erhalt der Wohnung vom Grundsatz her über diejenigen des Mieters am Verbleib in der Wohnung gestellt. Eine Abwägung der Interessen des Vermieters gegen die Interessen des Mieters findet nur eingeschränkt statt. Sie findet Ihren Raum in der Abwägung der Härtegründe des § 574 BGB, welche der Mieter der Eigenbedarfskündigung, bzw. dem Erlangungsinteresse des Vermieters entgegenstellen kann.
Diese Gründe müssen so gewichtig sein, dass sie das Interesse des Vermieters an der Eigennutzung seiner Wohnung deutlich überwiegen. Am wichtigsten sind hierbei gesundheitliche Gründe des Mieters. Der Auszug ist ihm unzumutbar sein, wenn er die ernsthafte Gefahr besteht, dass der Umzug/Auszug zu einer dauerhaften Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes des Mieters führen wird. Gründe wie lange Mietdauer oder hohes Alter reichen für sich allein nicht aus um die Eigenbedarfskündigung zu Fall zu bringen. Stehen dem Interesse des Vermieters aber bedeutende Härtegründe des Mieters entgegen, muss gegebenenfalls ein Gericht klären, wessen Interessen vorgehen. Über den vom Mieter bestrittenen Eigenbedarf des Vermieters wird Beweis erhoben durch Zeugenaussagen. Beruft sich der Mieter auf eine drohende Verschlechterung des Gesundheitszustandes, muss er hierzu substantiiert vortragen. Dies geschieht indem er Atteste einreicht, aus welchen sich seine Krankheiten und die drohende Verschlechterung ergeben. Wird dies vom Vermieter bestritten, muss über den Gesundheitszustand Beweis erhoben werden, meist durch Vernehmung des behandelnden Arztes oder ein ärztliches Sachverständigengutachten, denn die ärztlichen Atteste stellen noch keinen Beweis dar. Sie sind lediglich so genannter substantiierter Sachvortrag des Mieters.
Vorgetäuschter Eigenbedarf kann im Übrigen zu einer Schadensersatzpflicht des Vermieters dem Mieter gegenüber führen, wobei durchaus denkbar ist, dass der Mieter wieder in die streitgegenständliche Wohnung zurückziehen kann. Diese Fälle sind zahlenmäßig jedoch eher selten.
Ferner zu beachten sind bei der Kündigung wegen Eigenbedarfs selbstverständlich die allgemeinen Kündigungsfristen für den Wohnraummietvertrag sowie evtl. Kündigungssperrfristen gem. § 577 a BGB. Diese betragen, wenn die Umwandlung des Wohnraums in Wohnungseigentum nach Überlassung der Wohnung an den Mieter erfolgt ist, drei Jahre. Per Rechtsverordnung können die Länder diese Fristen erhöhen. In einigen Bezirken Berlins gilt auf Grundlage der Kündigungsschutzverordnung zurzeit (Februar 2012) eine Kündigungssperrfrist von sieben Jahren. So in den Bezirken Charlottenburg-Wilmersdorf, Friedrichshain-Kreuzberg, Tempelhof-Schöneberg, Steglitz-Zehlendorf, Mitte und Pankow.
Besteht eine Kündigungssperrfrist gem. § 577 a BGB oder gem. Landesverordnung, kann die Eigenbedarfskündigung erst nach Ablauf der Sperrfrist ausgesprochen werden. Die Kündigungssperrfristen gelten auch bei dem Sonderkündigungsrecht des Vermieters gem. § 57 a ZVG beim Erwerb einer vermieteten Eigentumswohnung oder sonstigen vermieteten Wohnraums in der Zwangsversteigerung. Allerdings ist der Vermieter durch § 57 a ZVG insoweit privilegiert, als er, wenn die Voraussetzungen des Sonderkündigungsrechtes vorliegen, er unabhängig davon, wie lange das Mietverhältnis tatsächlich besteht, den Mietvertrag wegen Eigenbedarfs mit der kurzen Frist von nur drei Monaten kündigen kann. Inhaltlich werden bei der Berufung des Vermieters auf das Sonderkündigungsrecht des § 57 ZVG an die Eigen-bedarfskündigung dieselben hohen Anforderungen an die Begründung des Eigenbedarfs gestellt wie wenn der Vermieter den Mietvertrag ohne dieses Sonderkündigungsrecht, also „normal“ wegen Eigenbedarfs kündigt.