Eigenbedarf – Hohes Alter des Mieters kein „automatischer“ Härtegrund
BGH, Urteil vom 3. Februar 2021, AZ VIII ZR 68/19: Beruft der Vermieter/Eigentümer einer Mietwohnung sich gegenüber dem Mieter auf „Eigenbedarf“, macht er also geltend, dass er die vom Mieter genutzte Wohnung zur eigenen Nutzung bzw. zur Nut-zung durch einen nahen Angehörigen im Sinne des einschlägigen § 573 Abs. 2 Ziff. 2 BGB benötigt, kann er mit dieser Begründung das Mietverhältnis grundsätzlich kündigen.
Sollte eine „Sperrfrist“ nicht zu berücksichtigen bzw. abgelaufen sein und die Kündigung deshalb grundsätzlich wirksam, kann der Mieter sich nur noch auf „Härtegründe“ berufen und ggf. die Fortset-zung des Mietverhältnisses verlangen, wenn der Verlust des Mietverhältnisses für ihn oder Angehörige seines Haushalts eine nicht zumutbare Härte bedeuten würde (§ 574 BGB). Liegen solche Härtegründe vor, kann der Mieter vom Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses entweder für einen be-stimmten Zeitraum oder sogar auf unbestimmte Zeit verlangen. Damit ein solcher Härteeinwand ggf. zu berücksichtigen ist, muss er spätestens 2 Monate vor Ende des Mietverhältnisses und zudem schriftlich gegenüber dem Vermieter geltend gemacht werden, sofern der Vermieter in seiner Kündi-gung darauf hingewiesen hat.
Häufig berufen Mieter sich auf ihr fortgeschrittenes Alter oder Krankheit und es müssen dann einer-seits das Interesse des Vermieters an der Eigennutzung gegen andererseits das Interesse des Mieters am Erhalt des Mietverhältnisses abgewogen werden. Der BGH hatte nun über einen Fall zu entscheiden, in dem das LG Berlin (Urteil vom 12.03.2019, AZ 67 S 345/18) die Berufung der Vermieterin, die auf Räumung und Herausgabe geklagt und in I. Instanz unterlegen war, zurückgewiesen und somit die erstinstanzliche Entscheidung, nach der das Mietver-hältnis auf unbestimmte Zeit fortzusetzen war.
Die betreffenden Mieter hatten der Kündigung rechtzeitig und formgerecht unter Hinweis auf ihr hohes Alter (84 und 87 Jahre), ihren beeinträchtigten Gesundheitszustand, ihre langjährige Verwurzelung im Umfeld der Wohnung und ihre für die Beschaffung von Ersatzwohnraum zu geringen finanziellen Mittel widersprochen. Das LG Berlin hatte seine Entscheidung vornehmlich mit dem hohen Lebensalter der Mieter begründet und ausgeführt, dass dieses zur Annahme einer Härte i.S.d. § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB führen würde, weil es für alte Menschen außerordentlich schwer oder gar unmöglich sei, erfolg-reich einen neuen Lebensmittelpunkt zu begründen. Diesbezügliche Schwierigkeiten wögen bei der Interessenabwägung schwerer als das Erlangungsinteresse des Vermieters.
Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das LG Berlin zurückverwiesen mit der Begründung, dass allein das hohe Alter des Mieters nicht ausreicht, um – quasi automatisch – von einem Härtegrund auszugehen. Dabei berief sich der BGH darauf, dass nur solche für den Mieter mit einem Umzug verbundenen Nachteile als Härtegründe in Betracht kommen, die sich von den mit einem Wohnungswechsel typischerweise verbundenen Unannehmlichkeiten deutlich abheben. Das hohe Alter eines Mieters reicht für sich allein dafür nicht aus, sondern es kommt auf die tatsächlichen Auswirkun-gen eines Umzugs auf den konkreten Mieter an, die sich je nach Persönlichkeit und körperlicher sowie psychischer Verfassung unterschiedlich gestalten.
Gleichzeitig hat der BGH festgestellt, dass eine Härte aber zu bejahen sein kann, wenn zu dem hohen Alter und der Verwurzelung in der bisherigen Umgebung aufgrund einer langen Mietdauer Erkrankun-gen des Mieters hinzukommen, die im Fall eines (erzwungenen) Wohnungswechsels zumindest die ernsthafte Gefahr einer erheblichen Verschlechterung der gesundheitlichen Situation des (schwer) er-krankten Mieters begründen. Hierzu bedürfe es aber einer genauen Prüfung des Vortrags des Mieters sowohl hinsichtlich etwaiger Krankheiten als auch aus einem Umzug resultierender Verschlechterung seines Zustands als auch hinsichtlich einer ggf. behaupteten Verwurzelung. Dazu führt der BGH u.a. aus: „Angesichts der Vielgestaltigkeit der Lebensverhältnisse ist es unzulässig, bestimmten Belangen des Vermieters und/oder des Mieters von vornherein – kategorisch – ein größeres Gewicht beizumessen als denen der Gegenseite.“
Auch weil das LG Berlin nach Ansicht des BGH in diesem Fall keine Interessenabwägung vorgenommen hatte. Wenn Sie als Mieter von einer Eigenbedarfskündigung betroffen sind oder als Vermieter eine solche in Erwägung ziehen, beraten und vertreten wir Sie in diesem Zusammenhang gerne.